Seit 1990 im Vergleich zu 2021 wird im Gebäudesektor weniger als die Hälfte von den CO2-Emissionen pro Quadratmeter ausgestossen, allerdings ist in dieser Zeit die Energiebezugsfläche auch um mehr als die Hälfte gewachsen. Deshalb sind heute die Emissionen im Vergleich zu 1990 erst ein bisschen zurückgegangen.
Fast 1 Million Gebäude in der Schweiz werden noch mit fossilen Brennstoffen geheizt. Die Dekarbonisierung dieser Gebäude bringt verschiedene Herausforderungen mit sich. Zum Beispiel: wenn so saniert wird wie heute, dann müssen von heute bis 2050 ein grosser Teil der heute 340'000 Angestellten im Schweizer Bausektor ausschliesslich an energetischen Sanierungen arbeiten, um die Ziele des Klimaschutzgesetzes zu erreichen. Die Produktionskapazitäten des Bausektors müssen also gezielt eingesetzt werden. Darüber hinaus werden drei Viertel der Investitionskosten durch Kleininvesor:innen und Private (Stockwerkeigentümer:innen, EFH-Eigentümer:innen) getragen. Dann, im Winter braucht es deutlich mehr CO2 neutralen Strom.
Bei der Dekarbonisierung sollten wir uns das Leben also nicht unnötig schwer machen. Die Denkweise muss in vielen Fällen heissen: “Was ist unbedingt nötig, um die Öl- / Gasheizung loszuwerden?” Das heisst, wir müssen Dekarbonisierung mit geringer Eingriffstiefe ins Gebäude in vielen Fällen vor komplexen Sanierungsprojekten priorisieren. Wenn ein bestehendes Gebäude viele Ressourcen schon kombiniert, zum Beispiel stark nachgefragten, günstigen Wohnraum bietet und baukulturell wertvoll ist, sollten wir nur wenig in die Substanz eingreifen – vielleicht können wir es einfach an die Fernwärme anschliessen? Hier gibt es aber keine “one size fits all” Lösung, wichtig ist hier, die lokalen Gegebenheiten genau zu berücksichtigen: Wer lebt bereits hier? Was brauchen wir hier? Was fehlt hier? Welche Ressourcen stehen zur Verfügung (z.B. die Fernwärme)? Wie sieht den Gebäudebestand aus?
Bei der Innenentwicklung der bestehenden Siedlung ist es ähnlich. Sie ist wichtig für die Wohnraumversorgung für eine wachsende Bevölkerung. Auch hier sollen die gewachsenen lokalen Gegebenheiten sorgfältig berücksichtigt werden: Innenentwicklung soll nicht, wie bisher, über Ersatzneubauten getrieben sein, wir müssen viel eher umbauen, anbauen, weiterbauen. Das Ziel ist, am Schluss die lokalen Bedürfnisse am besten mit bereits vorhandenen lokalen Ressourcen abzudecken.
Ausserdem besteht ein grosses Potential bei der Belegung der Wohnungen. Alexander Scheidegger, Dozent am Institut für Modellbildung und Simulation der OST, sagt: «Rund 10% der Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz finden ihre aktuelle Wohnung zu gross. Gemeinden und Grundeigentümer können dieser Zielgruppe attraktive Lösungen anbieten, um die Wohnfläche zu verkleinern. Damit kann bestehender Wohnraum von mehr Menschen genutzt werden und wir schwächen die grossen Konflikte zwischen sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Zielen ab: es gibt weniger Wohnungsknappheit, weniger Treibhausgasemissionen und weniger Ressourcenverbrauch.»
Dafür wurde die Wichtigkeit des Dialogs in einem Partizipationsprozess mit Bevölkerung, Behörden, Eigentümer:innen und Politik auf der lokalen Ebene unterstrichen. In der Diskussion werden unterschiedliche Perspektiven und Interessen in die Lösungsfindung einbezogen. Dies hilft, die Innovationskraft aller Akteure für das Gemeinwesen zu nutzen.
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Redaktion: Sankt Plus, Alexander Scheidegger OST
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