OstSinn: Als wir im Sommer 2015 zum ersten Mal Kontakt zueinander hatten, warst du gerade mit deiner Abschlussarbeit an der Zürcher Hochschule der Künste beschäftigt. Damals gab mir jemand den Tipp, "Kontaktiere die Alexandra Koch mal, die beschäftigt sich auch mit so nachhaltigen Themen!".
Wie bist du dazu gekommen?
Alexandra Koch: Im Rahmen meiner Ausbildung zur Fooddesignerin habe ich mich unter anderem mit der Herstellung und mit Produktionswegen von Gütern sowie mit gesellschaftlichen Problemen rund ums Essen auseinander gesetzt. Zwei Fragen waren dabei zentral: "Wieso essen wir so, wie wir jetzt essen?" und "Welche Auswirkungen wird dies auf unsere Zukunft und auf die Umwelt haben?".
OstSinn: Du warst damals motiviert, zu dieser Problematik einen eigenen Beitrag zu leisten. Was hast du dir vorgenommen?
Alexandra Koch: Ich habe nach meinem Abschluss erst mal, nach und nach, meinen eigenen Lebensstil geändert. Sowohl beim Essen als auch bei Kleidung. Extreme Wege, wie sie z.B. manche Zero Waste Blogger gehen, sind für mich persönlich aber nicht in Frage gekommen.
OstSinn: Welche Wege hast du stattdessen für dich gewählt?
Alexandra Koch: Ich habe mich zunächst gefragt, mit welchen Aktionen ich überhaupt einen nennenswerten Impact erzielen könnte. Dann habe ich beschlossen, mich darauf zu fokussieren, Menschen zurück zum guten, einfachen Essen aus regionalen Zutaten bringen zu wollen - ohne erhobenen Zeigefinger. Deshalb habe ich auch begonnen, mich mit dem Fermentieren von Gemüse, "Kimchi" genannt, zu befassen.
OstSinn: Auf welche Begrenzungen bist du bisher bei deinen enkeltauglichen Aktivitäten gestossen?
Alexandra Koch: Dass Menschen zwar leicht für das Thema nachhaltiger Konsum zu gewinnen sind, diesen selbst aber - aus Kostengründen - kaum praktizieren.
Und dass Nachhaltigkeit, wie wir sie vor Augen und in den Ohren haben, etwas anderes ist als auf dem Papier. Letzteres habe ich vor allem bei meiner Arbeit für das OASG erfahren.
OstSinn: Du bist seit Oktober 2016 mitverantwortlich für Marketing, Kommunikation und Nachhaltigkeit im OpenAir St.Gallen Team. Dein persönliches Fazit zum OpenAir 2017?
Alexandra Koch: Das Thema Müllmengen am OpenAir wurde meiner Meinung nach in den Medien verzerrt dargestellt. Grob gesagt, landete nicht mehr als die Menge an Müll im Sittertobel, die sonst daheim im Kübel gelandet wäre. An Massnahmen dagegen arbeiten wir laufend. Was sehr gut geklappt hat, war die Rückgabe von Bechern und Zelten. Was in puncto Nachhaltigkeit aber am meisten ins Gewicht fällt, ist der Fleischkonsum am Gelände. Deshalb werden wir bei der Auswahl der Foodstände am OASG 2018 nicht nur verstärkt lokale/regionale AnbieterInnen berücksichtigen, sondern auch darauf achten, dass es ein grösseres Angebot an Veggie-Kost geben wird.
OstSinn: Welche Nachhaltigkeits-Strategie hat das OASG mittel- bis längerfristig geplant, umzusetzen?
Alexandra Koch: Wir verfolgen weiterhin Ziele, die das Team mit meiner Vorgängerin teilweise schon umgesetzt hat. Die Bilanz 2017 ist etwa gleich gut ausgefallen wie jene vom 2016, was wir auch wieder in unserem Nachhaltigkeitsbericht festgehalten haben.
OstSinn: Du betreibst deinen eigenen Blog "Karma Meals", veranstaltest Fermentier-Workshops, Dinner-Events und Butterbrot-Brunches, ertüftelst Rezepte für "Emma und Söhne" und schreibst für zwei weitere Blogs, nämlich jenen von "This is Jayne Wayne" und "Style Notes". Wie schaffst du das alles, nebst deinem Fixjob im OASG-Büro?
Alexandra Koch: Nachdem ich beim OASG angefangen hatte, liefen diverse Projekte erst mal auf Sparflamme. Als ich aber im Laufe vom letzten Jahr gleich drei neue Angebote von Blogs bekommen hatte, habe ich meine Anstellung auf ein 80%-Pensum reduziert. "Sauer & Lustig", mein Kimchi-Projekt, bekam dadurch Auftrieb, dass mein Partner sich für das Thema begeistert hatte und wir es nun gemeinsam betreiben. Es ist immer noch Vieles auf einmal, aber zu bewältigen.
OstSinn: Inwieweit trägt die Technik des Fermentierens dazu bei, dass du deine anfangs beschriebenen Ziele erreichen kannst?
Alexandra Koch: Ganz und gar! Nichts fasst Saisonalität, Natürlichkeit und kulturelle Identität von Lebensmitteln so schön zusammen wie das Produkt Kimchi. Ein Überschuss an regionalem, saisonalem Gemüse und Obst kann auf natürliche Art haltbar gemacht werden, Vitamine gehen nicht verloren und sogar ein sozialer Faktor kommt zum Tragen.
OstSinn: Wie denn das?
Alexandra Koch: In Korea, dem Ursprungsland von Kimchi, werden die Mädchen in die sozialen Bünde integriert, wenn sie zusammen mit der Familie Kimchi machen und es in grossen Gärtöpfen fermentieren lassen. Ein Gericht, dem ein grosser Wert zugeschrieben wird und das alle an einen Tisch bringt. So organisieren wir u.a. regelmässig Kimchi Dinner, zu denen wir einladen, um genau das zu zelebrieren: Die Fermentation, den Geschmack und das Miteinander.
OstSinn: Was unterscheidet dich von den vielen, anderen FoodbloggerInnen?
Alexandra Koch: Bei mir wird Essen nie so präpariert, dass es nachher nicht mehr gegessen werden kann. Der Genuss steht bei mir immer an erster Stelle. Auch deshalb finde ich es furchtbar, dass Menschen ihr Essen schnell herunter schlingen, nachdem sie eine Ewigkeit lange mit dem Fotografieren für ihre Social-Media-Accounts beschäftigt waren.
OstSinn: Ein weiterer Trend scheint das social-mediale Dissen von Bio-Öko-Veggie zu sein. Was denkst du, wie es dazu kam?
Alexandra Koch: Bewegungen, die zu Trends hochgehyped werden, ziehen logischerweise Gegentrends nach sich. Und "Zeigefingerleute" tun ihrem Anliegen nichts Gutes, denn Essen ist etwas sehr Persönliches. Menschen möchten nicht zu ihren Essgewohnheiten belehrt oder dafür verurteilt werden. Deshalb habe ich für mich persönlich einen Weg abseits von Clean-Eating-Trends und anderen Formen von Extremismus gewählt. Indem ich Geschmackliches in den Vordergrund stelle, hoffe ich, auch Menschen ausserhalb von Bewusstheits-Filterblasen zu erreichen.
OstSinn: Und, funktioniert das auch?
Alexandra Koch: Oh ja! Ich bekomme immer wieder dankbare Rückmeldungen von LeserInnen, die meine Rezepte ausprobiert haben und überrascht sind, wie gut so einfach und bewusst Gekochtes schmeckt. Wenn ich z.B. für "This is Jayne Wayne" schreibe, ein deutsches, locker-feministisches Frauenmagazin, erreiche ich damit ja eine recht grosse Bandbreite an Leserinnen. Die sich gerne überzeugen lassen, weil ich einfach nur weiter vermittle, was ich täglich selbst lebe.
OstSinn: Noch ein Tipp zum Abschluss? So von Foodprofi für Jene, die gerne Überzeugungsarbeit leisten möchten?
Alexandra Koch: Ja! Koche etwas Klimafreundliches, lade Leute ein, ohne ihnen dies vorher zu sagen und frage sie zum Schluss, wie es ihnen geschmeckt hat.
OstSinn: Dankeschön!
Mehr zu Alexandra Koch, ihren Aktivitäten und Rezepten, findet sich auf ihrem Blog KARMA MEALS
(Foto: Alexandra Koch)